Das war ein großer Abend für das niedersächsische Kickboxen…: Vor 700 Zuschauern in Munster sicherten sich Lokalmatador Eugen Waigel (AKBT Munster) und der Wolfsburger AKBC-Athlet Artur Reis jeweils den Weltmeister-Titel nach Version der WAKO-Pro. Zudem sicherte sich mit Viktor Fröhlich ein weiterer Munsteraner den Europameister-Titel.
Riesengroß war die Freude bei allen dreien: Schließlich brachte jeder eine eigene Geschichte mit zu diesem wunderbar organisierten Abend: Superschwergewichtler Waigel, der im Vorjahr gegen Antonio de Sousa umstritten verloren hatte und jetzt die Chance zur Revanche bekam. Reis, der vor zwei Jahren bereits im Limit bis 75 Kilogramm Weltmeister wurde, und jetzt im Supermittelgewicht als 23-Jähriger jüngster deutscher Kickboxer ist, der in zwei Klassen den Titel erringen konnte. Und Fröhlich stand in Munster nach einem Knietreffer in Runde sieben kurz vor dem Aus.
Fröhlich hatte den ersten Titelkampf des Abends, im Halbschwergewicht wartete der Spanier Julio Sanchez, seines Zeichens vierfacher Welt- und dreifacher Europameister. Der 28-Jährige war in dem Kampf der schnellere und aktivere Athlet. Doch das Knie des Spaniers an den Kopf des 28-Jährigen hätte fast das Aus bedeutet. Sein Coach Antonino Spatola wollte den Kampf aufgrund der blutenden Wunde aufgeben, doch sein Kämpfer überredete ihn, weitermachen zu dürfen. „Im Nachhinein bin ich natürlich froh“, gab Spatola zu, „Viktor hat einen tollen Kampf hingelegt.” Das sahen nach zehn Runden auch die Punktrichter so, die 100:91, 100:92 und 100:94 werteten. Fröhlich wurde mit sechs Stichen genäht, der Jubel über den größten Erfolg seiner Karriere kannte allerdings keine Grenzen.
Dann ging’s für Reis in den Ring, auf ihn wartete der Franzose Mehdi Lacombe. In dem über zwölf Runden angesetzten Kampf hatte der Franzose, der an gleicher Stelle vor einem Jahr gegen Reis’ Klubkollegen Patrick Wojcicki unterlegen war, nicht den Hauch einer Chance. Mit der Geschwindigkeit in den Aktionen des 22-jährigen Wolfsburgers konnte der Franzose, der Reis vor zwei Jahren nach Punkten umstritten besiegt hatte, nie mithalten. Dabei gab Reis zu: „Ich hatte kurz vorher noch Rückenprobleme bekommen, aber das haben wir rechtzeitig wieder in den Griff bekommen.“
Lacombe, der vor allem mit seiner provozierenden Art auffiel, kassierte immer wieder harte Schläge und Tritte von „the Machine“. Der Franzose gab sich dann zwar bewusst unbeeindruckt, doch die Treffer zeigten auch bei dem Mann Wirkung, der gute Nehmerqualitäten besitzt. Aufgrund einer Verletzung gab Lacombe schließlich vor der achten Runde auf. „Artur war richtig stark und schnell“, freute sich AKBC-Trainer Antonino Spatola für seinen Schützling, der den WM-Gürtel in der niedrigen Gewichtsklasse damit niedergelegt hat. Reis dankte seinem Coach: „Danke, Trainer! Er hat mich trainiert und war immer für mich da!“ Natürlich kannte auch bei ihm der Jubel keine Grenzen: „Ich habe es geschafft – zum zweiten Mal Weltmeister!“
Mit dem Kampfverlauf konnte Reis natürlich zufrieden sein, aber er gab mit einem Schmunzeln zu: „Er war früher beendet als erwartet. Ich dachte, der Kampf geht noch ein paar Runden und bin erst warm geworden.“ Spatola: „Gratulation! Artur hat hart gearbeitet und sich den Titel verdient.“
Ein drittes Mal konnte Spatola noch gratulieren, nämlich seinem Schützling Eugen Waigel. Und dessen Vorgeschichte war schließlich auch die bitterste: Vor einem Jahr wurde Eugen Waigel gegen Antonio de Sousa aus Portugal vom Ringrichter aus dem Kampf genommen – zu Unrecht. Dieses Mal ging alles mit rechten Dingen zu – und Waigel wusste zu überzeugen. Von der lauten Kulisse angepeitscht lieferten sich beide Kickboxer ein spannendes Gefecht. Dimitri Hait, Trainer des 23-Jährigen: „Jede Runde war extrem spannend.“ Und in Runde sieben von zwölf sahen viele der Zuschauer das Duell schon als beendet an: Nach einem harten Schlag ging der Portugiese zu Boden – er stand allerdings wieder auf. Doch dann wurde das Kräfteverhältnis deutlicher, der konditionell stärkere Kämpfer erarbeitete sich den Sieg, den auch die Punktrichter bei ihren Wertungen von 117:113, 118:114 und 116:111 sahen. Waigel sagte hinterher strahlend: „Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden. Ich spüre eine große Erleichterung.“
Dieser packende WM-Kampf war der Höhepunkt des Abends – und der vorläufige Schlusspunkt hinter drei ganz unterschiedlichen Geschichten der niedersächsischen Titel-Kämpfer.
Übrigens: Mit Danilo Grützner und Yasin Balkani waren zwei weitere Wolfsburger auch in Munster im Einsatz: Grützner zeigte eine Vorführung, er betreibt die kontaktlose Kickbox-Variante Formen, Hardstyle mit Waffen, hier ist er mehrfacher deutscher Meister. Balkani überzeugte in einem Vorkampf über vier Runden. Die erste musste er noch abgeben, doch nach einer deutlichen Steigerung feierte er einen Punktsieg gegen den Munsteraner Lokalmatador Sebastian Appelganz.